Texte

‚Die Kleidung ist etwas Ewiges, genauso wie die Kunst. Die Kleidung muss wieder Kunst werden und muss aufhören, nur Mode zu sein.‘
(Friedensreich Hundertwasser, 1989)

das ist eine Seite aus dem Buch (siehe unten)

Was weben mir bedeutet …

Da ist einmal der Prozeß:
vom Rohstoff bis zum Gewand zu verwirklichen – Wolle aus der Umgebung besorgen – waschen im Sommer, draußen auf der Wiese ausbreiten – zum Kardieren fahren ist wie „ernten“ – dann spinnen und färben, meistens mit Pflanzen aus der Landschaft oder Krapp oder Indigo – dann das Gewebe planen, Kettmaterial und Schuß (handgesponnen) mit Muster und Farbe und Dichte kombinieren … und dann weben – das fertige Tuch nachbehandeln – dann der „1. Schnitt“(furchtbar aufregend, in das so entstandene Tuch zu schneiden, um etwas daraus zu nähen) – dann stecken und anprobieren (wie wird es? wie sitzt es?) – und wie schön, es dann zu verwirklichen und die Details wie Säume, Verschlüsse Verzierungen mit der Hand zu gestalten. Dieser Prozeß, der manchmal über 2 Jahre geht, bindet mich ein in die Jahresabläufe und in die Erfahrung, daß es keine „Abkürzungen“ gibt …  Am Ende steht ein „nur-einmal-so-auf-der-ganzen-Welt-Produkt“, eine Art Verwirklichung und Ergebnis eines schöpferischen Tuns.

Da ist zum anderen das „Aussteigen wollen“:
ein Kleidungsstück wieder zu gewinnen, an dem weder die Ausbeutung der Erde (Rohstoff/Pestizide/Transportwege/Wasserverschmutzung) noch die Ausbeutung anderer Menschen (der Baumwollfarmer/der Näherinnen/Färberinnen/Verpackerinnen/Kinderarbeit), noch die Gifte der chemischen und industriellen Fertigung kleben; ein Kleidungsstück, das nicht modisch kurzlebig ist, sondern lange hält, meine Haut gesund atmen läßt, und angemessen ist – in jedem Sinne des Wortes: passend zum Körper und zur Bewegung, zur eigenen Umgebung und zum heimischen Klima. Das Herstellen einer solchen Kleidung trägt nicht einmal den Makel der Zweckrationalität, ist nicht auf kapitalistischen Mehrwert ausgerichtet. Und solche Kleidung trugen noch alle meine Ahninnen bis vor zwei Generationen. Was für ein Luxus, denn natürlich sagen alle einerseits: „weben und spinnen für die eigene Kleidung! Das ist doch Zeitverschwendung, es gibt doch alles so billig zu kaufen.“ Und andererseits: „Alles Natur, alles ganz ursprünglich von hier und selbst gemacht! Und so einzigartig, wie kostbar! Das ist ja unbezahlbar.“

Da ist zum dritten die „spirituelle“ Seite:
Mich hat das Märchenmotiv vom Gewand (Mantel), in dem Zauberkraft eingewoben ist und das dadurch schützt und unsichtbar macht, immer schon angesprochen. Es tauchte wieder auf in „Mio, mein Mio (von A. Lindgren): die Weberin da hat die Träume der verzauberten Kinder eingewoben … Die Navajo kennen Spiderwoman, die Große Mutter, die den Frauen das Weben als Kunst schenkte, und in vielen Kulturen sind Gewebe nicht nur kostbare Geschenke, sondern haben heilende Kräfte. Bei den indonesischen Völkern wird ein Tuch für das zu erwartende Kind von der Schwangeren gewebt, in das das Baby gehüllt wird. Dieses Geburtstuch wird aufbewahrt und spielt eine wichtige Rolle bei der Hochzeit oder bei Krankheiten und den Heilzeremonien, es ist ein persönliches Krafttuch für das ganze Leben.
Später fand ich heraus, daß das Weben mit der Kunst der Schamaninnen verbunden ist, und der Webstuhl ein Sinnbild für die kosmische Ordnung ist: wer die Ordnung am Webstuhl kennt, kann eben auch „verwirklichen – „Das deutsche Wort „Wirklichkeit“ enthält das schöne Bild vom Wirken, ein Gewebe wirken oder Fäden knüpfen, um so einen kunstvollen Teppich oder ein gewebtes, farbiges Tuch hervorzubringen. Das ist eine Menge Arbeit – und genau diese Arbeit, d.h. die eigenen inneren Fäden zu einem schönen Gewebe zu verbinden, führt zur Selbst-Verwirklichung.“ (Bruno Martin: Gurtjieff Praxisbuch).-Daß Kettfäden wie das Dharma sind, und daß das Muster, das wir erst am Ende des Lebens sehen, das eigene Karma ist, sagt der tantrische Buddhismus. Die Tantras selbst, die Lehrschriften sind ein Gewebe.
All das verbindet sich mit meiner Tätigkeit als Yogalehrerin in einer tantrischen Tradition. Durch die Begegnung mit dem „sacred house“, ein Buch von C. Hillyer, in dem sich 13 mythische Weberinnen treffen, kam noch die Verbindung zu den alten, heimischen, weiblichen Traditionen. Diese Weberinnen weben die Kraft der Landschaften ein und die der Ahninnen, die diese Landschaften bewohnten und durchwanderten … Können solche Gewebe eine innere Landschaft spiegelnd bewußt machen? Kann ein Gewebe das Gefühl des Schutzes, der Erde bewahren? Oder den Mut verstärken, sich fallen zu lassen wie von einem Fels in das weite offene Unbekannte? Oder die Ruhe von einem Bergsee? Das ist die Übung des magischen Webens.

In dem wunderbares Buch von India Flint: „second skin“ habe ich ein Gedicht gefunden, das mich inspirierte, es zu illustrieren, aber mit textilen Bildern, in denen alle handwerklichen Techniken genutzt wurden: spinnen, weben, filzen, sticken, nähen …

‚a rectangle of cloth
to wrap the baby, make the bed,
grace the meal and honour the guest,
to mop up a spill, encircle a waist,
screen the window and admit the breeze,
to proclaim a cause.
to tend the corpse ….‘

(Gwen Egg, australische Textilkünstlerin)

Daraus wurde ein ganzes Buch, das von der zweiten Haut erzählt: