Wir haben in unserer Alltagswelt immer alles im Blick – wir vertrauen nur auf das, was wir sehen, was wir schwarz auf weiß vor uns haben …Die Sicht, die so den Augensinn privilegiert, verstellt den Blick und verhindert, eine wesentliche Grundlage unseres Daseins, den Raum wahrzunehmen. Wir schauen sozusagen in den Nachthimmel und sehen die Sterne, aber nicht den Urgrund, den Kosmos, aus dem sie hervorblitzen und für uns erscheinen, Jahrmillionen nachdem sie verglühten. Wir sehen uns umgeben von Dingen, Gegenstände, Objekte, die wir sofort einordnen in die duale Grundordnung von Habenwollen – Ablehnen, Freund – Feind, für mich – gegen mich …. Aus dieser Sicht entsteht die Illusion von einer begrenzten Anzahl von Objekten; Objekte, die ich horten muß, damit ich genug habe; Objekte, die mir die anderen wegnehmen könnten, oder die ich nicht bekomme, weil sie schon anderen gehören … An der Basis dieser Illusion – nennen wir sie „Mangel denken“ – nagt die Angst, aus der heraus wir beginnen zu nehmen, zu horten, anzuhäufen, festzuhalten. Und aus diesem Verhalten, genährt durch Angst, erwachsen all die bekannten Probleme von „arm und reich“: Umweltzerstörung, Ausbeutung von Menschen und Natur, Haß auf die, der, das „Andere“ etc.
Der Raum bietet eine andere Sichtweise. Und Kum Nye führt uns zu der Möglichkeit, Raum wieder wahrzunehmen. Der Raum hat 1. die Qualität von „allumfassend“ – daraus folgt, daß im Raum nichts verloren geht, nichts fehlt, und das Gegenteil von was auch immer simultan ebenfalls existiert. Das ist die Fülle … ; 2. die Qualität von „ausdehnend“ – daraus folgt grenzenlose Weite und Offenheit. Das ist die Leere … Beide Qualitäten erlauben uns, zu sein: wir sind Erscheinungsweisen des Raumes. Wir können uns auf diese Qualitäten verlassen, weil sie zu uns gehören. Wann immer es Schatten gibt, gibt es zugleich Licht, wann immer es Leiden gibt, gibt es auch Freude; wann immer ein Problem auftaucht, gibt es zugleich eine Lösung im Raum … ; diese Fülle an Möglichkeiten ist in uns und um uns herum, ständig im Entstehen und Vergehen, im steten Wandel. Sie gibt uns das Gefühl von Entspanntheit und Urvertrauen. Da sie aber „nur“ aus Möglichkeiten besteht, ist sie zugleich Leere, offene Weite, die uns ein Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit schenkt.
Diese in den östlichen Weisheitslehren überlieferte Idee vom Raum gerät in wunderbarer Weise in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der Quantenphysik : im Innersten der Materie ist der Nucleus eines Atoms – sein Verhältnis zum Atom ist etwa wie das Sandkorn in einer Kathedrale – und dieser Nucleus existiert/erscheint abhängig vom Beobachter mal als Welle, mal als Teilchen. Sind wir Welle – Möglichkeitsform, Leere? Oder sind wir Teilchen, Erscheinungsweise einer möglichen Form, die sich schon wieder auflöst? Im unendlichen Tanz zwischen Sein und Werden und Vergehen …
Die UB 12 ist eine Augen-Yogaübung aus dem Kum Nye. Sie wird mit geschlossenen Augen in einer Dir angenehmen meditativen Haltung ausgeführt – am besten im einfachen Schneidersitz, Langsitz, Kniesitz. Sie geht über in eine meditative Übung der Raumerfahrung. Die gesamte Übung wird etwa 20 Minuten dauern – bereite Dich deshalb gut vor, sei an einem Ort, an dem Du nicht gestört wirst, Handy und Telefon sind abzustellen, denke an eine Wolldecke und bequeme Kleidung. Die Augenyoga-UB ist nicht nur gut für die Augen, sondern sehr zu empfehlen bei Nackenverspannungen oder Spannungskopfschmerz. Da mit dem Sehen die unstete und rastlose Gedankenproduktion verbunden ist, hilft diese Übung, besonders der meditative Teil, zur inneren Ruhe zu kommen, zur Gedanken-Leere, zur Friedlichkeit, Zufriedenheit, Genügsamkeit.